Die Fußwaschung aus dem Johannes Evangelium als Meditation
Übung der Dankbarkeit und Demut
Das Johannes Evangelium ist in gewisser Weise das spirituellste der vier biblischen Evangelien und birgt in sich einen vollständigen Einweihungs- bzw. Meditationsweg, welchen v.a. die Gnostiker und später die christlichen Mystiker gegangen sind.
Die 7 Stufen des christlichen Schulungswegs, welche sich im Johannes Evangelium finden, sind folgende:
- Fußwaschung
- man entwickelt umfassende Dankbarkeit gegenüber den Naturreichen, die unter einem stehen. Alles Höhere verdankt sein Dasein dem niedrigen: Pflanze dem Stein, Tier der Pflanze, der höhere Mensch dem niedrigen. Schließlich entfaltet sich die Vision der Fußwaschung und die Füße fühlen sich wie von Wasser umspült.
- Geißelung
- man entwickelt ein Gefühl der Duldsamkeit: Ich will in Geduld aufrecht ertragen alle Schmerzen und Leiden des Lebens; allmählich schaut man die Vision der Geißelung und spürt am ganzen Körper brennenden, juckenden Schmerz.
- Dornenkrönung
- man entwickelt Starkmut und lernt ertragen, wie einem selbst das Heiligste mit Spott und Hohn übergossen wird; in der Vision sieht man sich selbst mit der Dornenkrone und empfinden einen stechenden äußeren Schmerz am Kopf.
- Kreuzigung
- der eigene Körper wird als fremd empfunden, als Kreuz, das man zu tragen hat; man arbeitet so bis in den physischen Leib
hinein, um diesen so lebendig zu machen, dass er eine Anziehungskraft zum Phantomleib
des Christus
entwickelt, der sich auf Golgatha
bei der Auferstehung
aus dem Grab erhoben hat. Am Körper zeigen sich die Wundmale ( Stigmatisierung
) von leichten Rötungen bis zu wirklich blutenden Wunden.
- Mystischer Tod
- Ich will lernen zu leben in dem an mir, was nicht Leib ist, worüber der Tod keine Gewalt hat. Der Leib
wird nun als Mutter und das verwandelte niedere Ich
als Jünger erlebt, zu dem der Christus - als das höhere Ich in uns im Sinne des paulinischen Wortes: "Nicht ich, sondern der Christus in mir!" - sagt: "Siehe, das ist deine Mutter." Auch das Bild der Hochzeit zu Kana
ist mit dieser Stufe verbunden (siehe unten). Von schwarzer Finsternis fühlt man sich umhüllt und dann plötzlich zerreißt der Vorhang, der die geistige Welt
verhüllt, man begegnet dem Hüter der Schwelle
, wird hellsichtig auf dem Astralplan
und erlebt den Abstieg zur Hölle
, wie er etwa im Nikodemus-Evangelium
oder in Dantes
Göttlicher Komödie
angedeutet wird.
- Grablegung
- man empfindet sich vereint mit der ganzen Erdennatur und zutiefst vereinigt mit dem Christus, der gesagt hat: "Die mein Brot essen, die treten mich mit Füßen."
- Himmelfahrt (Auferstehung [1] ) - um diese Stufe zu erleben, muss man gelernt haben, ohne das Werkzeug des physischen Gehirns zu denken. Dieses Gefühl der Himmelfahrt folgt von selbst aus den vorigen; es gibt keine menschliche Worte, es auszusprechen. Sie bedeutet, indem man nun über den Astralplan hinauswächst, die vollständige bewusste Aufnahme in die eigentliche geistige Welt , das Devachan.
Die Fußwaschung steht im Johannes Evangelium statt des Abendmahles und ist, im mystischen Nacherleben der Schilderungen des Johannes-Evangeliums , die erste Stufe des christlichen Schulungswegs / christilicher Einweihung, wie sie von den christlichen Mystikern des Mittelalters praktiziert wurde.
Hier der Auszug aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 13:
Es war vor dem Paschafest. Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe bis zur Vollendung. Es fand ein Mahl statt, und der Teufel hatte Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, schon ins Herz gegeben, ihn zu verraten und auszuliefern. Jesus, der wusste, dass ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goss er Wasser in eine Schüssel und begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen, mit dem er umgürtet war. Als er zu Simon Petrus kam, sagte dieser zu ihm: Du, Herr, willst mir die Füße waschen?
Jesus antwortete ihm: Was ich tue, verstehst du jetzt noch nicht; doch später wirst du es begreifen. Petrus entgegnete ihm: Niemals sollst du mir die Füße waschen! Jesus erwiderte ihm: Wenn ich dich nicht wasche, hast du keinen Anteil an mir. Da sagte Simon Petrus zu ihm: Herr, dann nicht nur meine Füße, sondern auch die Hände und das Haupt. Jesus sagte zu ihm: Wer vom Bad kommt, ist ganz rein und braucht sich nur noch die Füße zu waschen. Auch ihr seid rein, aber nicht alle. Er wusste nämlich, wer ihn verraten würde; darum sagte er: Ihr seid nicht alle rein.
Als er ihnen die Füße gewaschen, sein Gewand wieder angelegt und Platz genommen hatte, sagte er zu ihnen: Begreift ihr, was ich an euch getan habe? Ihr sagt zu mir Meister und Herr und ihr nennt mich mit Recht so; denn ich bin es. Wenn nun ich, der Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, dann müsst auch ihr einander die Füße waschen. Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe. Amen, amen, ich sage euch: Der Sklave ist nicht größer als sein Herr und der Abgesandte ist nicht größer als der, der ihn gesandt hat. Selig seid ihr, wenn ihr das wisst und danach handelt.
"Die Fußwaschung ist eine vorbereitende Übung rein moralischer Natur. Tiefe Demut und absolute Unterwerfung des Meisters unter seine Schüler und unter sein Wirken. Das sehen auch die Rosenkreuzer darin (wie die Theologie), aber in einem viel tieferen Sinn, der die Evolution aller Wesen in der Natur einbezieht. Es ist eine Anspielung auf das Gesetz, daß das Obere das Produkt des Unteren ist. Der Schüler, der über dieses Thema während Monaten und manchmal jahrelang meditiert hat, erlebt die Vision der Fußwaschung auf dem astralen Plan (geistigen Welt) während des Schlafes." ( Lit.
: GA 094, S. 53f
)
Die eigentliche Meditation mit Aufbau geht wie folgt:
"Stelle dir eine Pflanze vor! Diese Pflanze wächst aus dem mineralischen Reiche heraus. Wenn sie denken und empfinden könnte, dann müßte sie zu dem mineralischen Reiche sagen: Aus dir wachse ich heraus, du bist zwar ein niedereres Reich als ich, aber unmöglich könnte ich ohne dich leben. Und dankbar müßte sie sich zum mineralischen Reiche hinneigen und sagen: Ich danke dir, Stein! Dir verdanke ich das ganze Dasein. - Ebenso müßte das Tier zur Pflanze sprechen. Und der Mensch müßte sich zu den niederen Naturreichen hinunterneigen und dasselbe empfinden. Und jeder, der auf der sozialen Stufenleiter höher emporgekommen ist, müßte sich hinunterneigen zu dem unter ihm Stehenden und sagen: Ohne dich könnte ich nicht leben.
Darin ganz aufzugehen, hat der Schüler sich zu üben, wochen-, monatelang. Dann kommen zwei Symptome, für alle die gleichen. Er erlebt zunächst das äußere wie auch das innere Symptom als eine ganz bestimmte Tatsache. Er sieht sich selbst als den Dreizehnten, der den Zwölfen die Füße wäscht. Der Christus Jesus hat den Zwölfen in der Fußwaschung diese große Wahrheit klarmachen wollen. Dieses wunderbare Seelenerlebnis kommt in der Einweihung über den Menschen. Bis zu äußeren Symptomen geht es. Er erlebt etwas, was er empfindet, als wenn er seine Füße in Wasser tauchte. Niemand braucht sich davor zu fürchten, es vergeht bald wieder." ( Lit. : GA 097, S. 231 )
Abschlussbemerkung:
Die Entwicklung wahrer Dankbarkeit gegenüber der Natur und allen Wesen, von Tier, über Mensch, bis hinauf zu den höchsten göttlichen Hierarchien und echte, tiefe Demut, ebenfalls gegenüber der gesamten Schöpfung sind zwei der mit Abstand wichtigsten Qualitäten, die der Mensch entwickeln muss, will er seinem Menschheitsziel entgegenschreiten und letztlich auch gesunden.
Die Meditation der Fußwaschung und das Durchtragen des daraus gewonnen Gefühles in allen Situationen des Alltags, das Einfließenlassen der dadurch gewonnen Impulse in unsere Handlungen, stellt eines der besten Mittel dar, welches seit Jahrhunderten den ersten Schritt auf dem Weg der christlichen Mystiker darstellt.







